Donnerstag, 6. Juli 2017

Dr. Gunter Bleibohm: Ausgewählte Gedanken zur Gottesidee

Ausgewählte Gedanken zur Gottesidee

 
Denn, du weißt es, die Religionen sind wie Leuchttürme: sie bedürfen der Dunkelheit, um zu leuchten. Ein gewisser Grad allgemeiner Unwissenheit ist die Bedingung aller Religionen, ist das Element, in welchem allein sie leben können. Arthur Schopenhauer, Über Religion



Sämtliche Religionen stellen die Existenz ihres Gottes als ein Faktum dar, als gegebene Grundtatsache, was es mitnichten ist. Allein die Beweise für derartige Behauptungen fehlen bis heute, alle Gottesbeweise sind gescheitert und widerlegt. Ausführliche Widerlegungen finden sich unter anderem in der „Kritik der reinen Vernunft", in der Immanuel Kant die Existenz eines Gottes als unbeweisbar erklärte oder in dem „Traité des trois imposteurs – Traktat über die drei Betrüger", das Ende des 17. Jahrhunderts die Radikalaufklärung begleitete.

Grundsätzlich fällt der Beweis einer Behauptung aber demjenigen zu, der sie aufstellt, so dass vor diesem Hintergrund alle Glaubensideen dem Entwurf eines Architekten gleichen, der sein Haus im zweiten Stock zu bauen beginnen will und dabei vergessen hat, das Fundament zu legen. Das Gebäude schwebt im luftleeren Raum, denn alle Religionen lehren in ihren Interpretationen und unterschiedlichsten Gedankenmodellen der Gottesidee nur Annahmen, Meinungen, Wunschvorstellungen, aber niemals überprüfbares, nachvollziehbares Wissen. Trotzdem ist der Theismus in die allgemeine Gedankenwelt der Menschheit über die Jahrhunderte inzwischen so tief eingewachsen, geradezu fest zementiert, dass seine Behauptungen den Status einer nicht erklärungsbedürftigen Selbstverständlichkeit und Tatsache erlangt haben und die Hinterfragung ihrer Grundlogik als Sakrileg betrachtet wird; lediglich der Atheismus steht unter Rechtfertigungszwang, der Standpunkt also, der von der Logik der Erkenntnis dieser Rechtfertigung in keinster Weise bedarf.


Vom Kerngedanken ist jede Gotteslehre in ihrer Grundanlage eine fragmentarische, eine bruchstückhafte Lehre, betrachtet sie doch fast ausschließlich den Menschen, eine Marginalie, ein schmales, sehr schmales Segment allen Seins, eine Betrachtung aus der anthropologischen Froschperspektive oder, wie Günter Anders es formuliert, aus der anthropologischen Mikrobenperspektive. Natur und Tierwelt werden durch diesen Ansatz auf nachgeordnete Requisiten des anthropozentrischen Gottestheaters reduziert. Es ist die Reihenfolge - erst Gott, dann der Mensch, dann der Rest - die als Essenz und menschliche Hybrisdroge die Welt an den Rand des finalen Chaos geführt hat.

 

 

Zur Abrundung des Themas im Folgenden einige ausgewählte Gedanken zur Fragwürdigkeit der Gottesidee.

 


Das Nichts und das Sein
Wurde das auseinanderdriftende Universum im endlosen Raum und in der endlosen Zeit von einem Schöpfer gemacht?

Bejaht man diese Annahme, folgt umgehend die Frage: Wer hat dann aber Gott gemacht? Er sich selbst?

Diese Annahme würde aber die Aufhebung des Kausalitätsgesetzes, das Ende von Ursache und Wirkung, nach sich ziehen.

Hat er sich selbst erschaffen, aus dem Nichts als Seiendes manifestiert, so ist die Hypothese naheliegend, Gott und das Nichts sind identisch, beides sind Synonyme und beide Zustände sind gleichzeitig möglich. Diese Frage ist mit dem Gedankenexperiment von Schrödingers Katze identisch, die im gleichen Zeitpunkt sowohl tot als auch lebendig sein kann und in der Physik  als quantenmechanische Superposition bekannt ist.


Damit reduziert sich die Gottesidee aber zu einem Problem der Quantenphysik, die hierfür alle erforderlichen Lösungsansätze bereit hält.

 


Permanente Schöpfung

 
Gott hat die Welt und das Universum geschaffen - lautet schlagwortartig eine Erkenntnis/Behauptung der Monotheisten und ist als statisches Bild in den „Heiligen Schriften" verankert.

Das Universum hingegen unterliegt einer ungeheuren Dynamik, einem stetigen Wandel. Es ist der Raum selbst, der sich ausdehnt, die Galaxien werden mit wachsender Fluchtgeschwindigkeit mitbewegt. Neue Galaxien mit zahllosen Sternen entstehen ständig in den Tiefen des Universums und andere vergehen wieder.

Hieraus resultiert die Frage, ob – die Existenz Gottes angenommen - Gott an diesen Stellen noch am „Erschaffen, Umbauen, Zerstören anderer Welten" ist oder war die Schöpfung für ihn mit dem desolaten Ergebnis, das er mit und auf unserem Heimatplaneten angerichtet hat, als Versuch gescheitert, die Schöpfung der Erde ein einmaliger Akt und für ihn dann ein für alle Mal erledigt? Hat er dann weitere „Schöpfungen" den Gesetzen der Physik überlassen? Oder einem nachgeordneten Demiurgen? Oder war der gepriesene Weltenschöpfer selbst nur ein Unter-Demiurg? Wer aber war dann der Hauptdemiurg?

 


Die Frage des Warum

Das Universum entstand vor ca. 13, 7 Milliarden Jahren.

Ein Schöpfergott müsste demnach vor der Entstehung des Universums existiert haben. Wie lange vorher bleibt im unbekannten Bereich, ebenso sein Beweggrund, überhaupt ein Universum zu kreieren. War es Langeweile, war er woanders – ein Multiversum unterstellt – tätig, war es Experimentierfreude oder nur ein Zufallsergebnis? Wäre Gott überhaupt für den Menschen erkennbar, denn wenn ein Gott existiert, ist er für den Menschen auf Grund seiner dreidimensionalen Begrenztheit unerkennbar, denn wer die dritte Dimension – und die Kosmologie kennt höhere Dimensionen - schafft, muss mindestens einer höheren, dem Menschen unzugänglichen Dimension, angehören.

Ignoramus, ignorabimus – wir wissen es nicht und werden es nicht wissen!

 

Tatsache hingegen ist, dass er – si esset – 9 Milliarden Jahre sich mit einem unbelebten Weltall zufrieden gab, bis ihm dann vor ca. 4,7 Milliarden Jahren die Idee kam, im Seitenarm einer unbedeutenden Galaxie ein winziges Weltraumpartikel - „Erde" später genannt - zu schaffen, um dort das fatale Experiment des Lebens durchzuführen.

Auch hier bleiben die gleichen Fragen wie zuvor, denn wozu waren 9 Milliarden Jahre Pause erforderlich? Und anschließend vergingen nochmal weitere 4,7 Milliarden Jahre, bis er ausgerechnet diesen Miniplaneten zur Offenlegung seiner eigenen Existenz durch zahllose, sich widersprechende Propheten und als Erscheinungsort seines Sohnes als Erlöser der Menschheit erwählte? Aber warum muss der Mensch überhaupt erlöst werden, von was erlöst und wenn Erlösung aus göttlicher Sicht erforderlich ist, warum wurde der Mensch nicht gleich erlöst konzipiert?

Kaum vorstellbar, kaum glaublich! Bereits Kaiser Friedrich II hatte diese Chimäre durchschaut, denn Papst Gregor IX warf ihm in einem Schreiben vom 21.5.1239 vor, Friedrich II solle gesagt haben: "von drei Schwindlern, nämlich Jesus Christus, Moses und Mohammed sei die ganze Welt betrogen worden".

 

Überträgt man die eigentümliche Offenbarung der Gottesexistenz ins Universelle, ergibt sich nachstehender Fragenkomplex.

Angenommen, dass es außerhalb der Erde weitere Planeten gibt, auf denen unserer Welt vergleichbares Leben und Lebensformen existieren, hat dorthin Gott auch seinen Sohn als Erlöser geschickt? Gibt es dann mehrere Erlöser im Universum und wenn ja, sind es immer die gleichen oder ist es jedes Mal ein anderer Sohn?

Reduziert man die Gottesmöglichkeit auf die Gegebenheiten der Erde, drängt sich die Überlegung auf, warum alle Spezies – außer dem Menschen – in Unkenntnis von der Gottesexistenz gelassen wurde. Bei keinem Tier, von der Bakterie bis zum Spatz, vom Hering bis zur Qualle ist das Vorhandensein einer Gottesexistenz zu beobachten, allerdings auch nicht das Bedürfnis danach. Wenn es Gott gibt, warum verbirgt er sich dann vor der Majorität seiner Wesen in der Anonymität, lässt sie nicht teilhaben an seinem Wissen, seiner Zuwendung? Oder weiter gefragt, ist das überhaupt ein liebender, ein mitfühlender, ein vernünftiger Gott, der seine Spezies nur erschafft, damit sie sich zum Überleben gegenseitig auffressen müssen und eine Spezies - den Menschen - allen anderen Wesen überordnet?

 




Das Finale der Schöpfung
In weiteren ca. 4 Milliarden Jahren wir die Erde in der Sonne verglühen, ihre Existenz ist dann beendet. Jedes Leben, falls es noch welches zu diesem Zeitpunkt gibt, wird vernichtet, der Planet wird ausgelöscht und verebbt unwiederbringlich als Energiewellen in den Tiefen des Weltalls.

Hat durch die bevorstehende Vernichtung der Erde der Gottesversuch ein geplantes Ende? Ist es ein Sicherheitsventil für jeden Schöpfungsversuch oder nur für offenkundig misslungene Schöpfungen? Sind untergehende Sterne also missratene Schöpfungen oder produziert der große Experimentator reihenweise Ausschuss? Und war dann das ganze Leben und Leiden ungezählter Spezies vergeblich, sinnlos und bedeutungslos? Wird der Wille zum Leben ersetzt durch den göttlichen Willen zur Auslöschung? Und warum das geplante Ende erst in 4 Milliarden Jahren, warum so lange noch, warum nicht gleich? Um das nutzlose Bemühen und hoffnungslose Strampeln aller Lebewesen um die vergebliche Existenz zu betrachten, gar zu genießen, sich daran zu erfreuen? Ein Sadistengott gar?

„Du kannst immer beobachten, dass Glauben und Wissen sich verhalten wie die zwei Schalen einer Waage: in dem Maaße, als die eine steigt, sinkt die andere" waren die visionären Worte von Arthur Schopenhauer in seiner Abhandlung „Über Religion".

Wir leben in einer zwiegespaltenen Zeit. Einseitiges, höchstes Spezialistentum steht einem weltweit sinkenden Bildungsniveau gegenüber. Die Spezialisten liefern die Technologie, die der Analphabet bedient, aber weder versteht noch moralisch begreift, gar ethisch verantworten kann. In diesen geistigen Freiraum drängen die Religionen seit Jahrhunderten, füllen sie aus und instrumentalisieren den Flachkopf. Die kulturelle Abwärtsspirale dreht sich immer schneller und ihre Antriebskraft kommt aus der geistigen und körperlichen Verelendung einer exponentiell anwachsenden Weltbevölkerung. Die Waagschale des Glaubens steigt, die Wissenden in ihrer naturgemäßen Minderheit werden von der Masse zur Unterwerfung gezwungen. Die Diktatur des Geistesproletariats ist vollendet!

 
27. 7. 2016 Gunter Bleibohm

 


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