Donnerstag, 14. November 2013

Leserzuschrift zum DDR-Comic-Heft "Mosaik" Anfang der 1960er Jahre




Heute erreichte mich eine interessante Email von einer Blogleserin zu meinem Beitrag über das „Mosaik“, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2013/11/ein-leserbrief-das-mosaik-und-der.html, den ich den werten Lesern nicht vorenthalten möchte:


Hallo Herr Nowack, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie eventuell mit meiner Email belästige und Sie müssen auch mit mir nicht in Emailverkehr treten, aber ich wollte Ihnen bloss mal etwas mitteilen, was Sie vielleicht interessiert.

 

Ich habe mich über Ihren Artikel über das Mosaik gefreut, besonders über den von Ihnen fotografierten Brief von 1962 aus der Mosaik-Redaktion. Der ist zwar mit Ehrhardt unterschrieben, wo ich nicht weiss wer das in der Redaktion war, aber er hätte auch von meinem Vater geschrieben worden sein. Dazu muss ich sagen, dass ich ein Jahr älter bin als Sie und als junges Mädchen auch gern das Mosaik gelesen habe und mein Vater hat 61/62, als Sie den Brief an das Mosaik geschrieben haben, Journalistik studiert, nachdem er erst einen Beruf in der Produktion hatte. 61/62 verdiente er sich in der Redaktion Mosaik/Atze etwas dazu und dazu gehörte auch, dass er Leserbriefe beantworten musste. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er zuhause stöhnte wieviele Leser wieder geschrieben hatten. Wie er mir später als ich grösser war erzählte, waren da bis zum Mauerbau auch viele Westberliner Leser darunter. Nun kommt das Interessante, auch ich fand damals das Heft 62 nicht mehr so gut mit dem Text nur darunter und Vater erzählte mir damals genau das gleiche was in Ihren Antwortbrief von diesem Ehrhardt stand. Was soll ich Ihnen sagen, viele Jahre später, als mein Vater schon lange nicht mehr dort gejobbt hat, da kam durch Zufall mal wieder das Gespräch darauf und Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung, mit den politischen Hintergründen, obwohl Sie das nur vermutet hatten. Vater erzählte mir folgendes:
 
Schon vor dem Mauerbau gab es von Seiten der DDR-Führung auch starke Abgrenzungen gegenüber dem Westen was die Eingruppierung in Schund-und Schmutzliteratur betraf, die man bei uns in der DDR nicht haben wollte. Weshalb man die Sprechblasen als westlichen Schund-und Schmutz eingruppierte, das weiss ich nicht, aber dumme Betonköpfe gibt es ja zu allen Zeiten. Jedenfalls wurde das Mosaik intern angezählt, man wollte reine Comichefte nicht, da waren diesen Genossen Frösi oder die Trommel viel lieber. Um nun nicht etwa ganz gestrichen zu werden, da entschied sich die Redaktion den Comiccharakter zu entschärfen und schaffte die Sprechblasen ab. Damit waren die Bonzen zufrieden, meinten das wäre nun nicht mehr westlicher Schund, eigentlich lächerlich, nicht? Wie mir mein Vater erzählte punktete das Mosaik mächtig mit der Weltraumserie bei den Verantwortlichen in der DDR, da besonders weil es auch dort zwei Systeme gab und die Guten waren da Bhur Yham wo sich die Digedags anschlossen. Jederman wusste dass da das kommunistische System gemeint war und die Gegenseite das kapitalistische System. Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen der Gegenseite erinnern, weil ich leider die Hefte nicht mehr habe. Als mir mein Vater das erzählte, da erinnerte ich mich auch daran, dass bei mir an der Schule in Gruppennachmittagen und auch im Unterricht regelrecht eine Kampagne 61/62 gegen angebliche Schund-Schmutzliteratur gefahren wurde, wozu auch Micky Maus und Fix und Foxi zählten, die ich nicht besaß und wo ich als Schülerin dachte, dass da wirklich schmutzige Geschichten drin gestanden hätten. Ich hoffe, Sie freuen sich über meine Email!?

Mit freundlichem Gruß

Brigitte Bringezu

 
Natürlich freue ich mich, werte Frau Bringezu, über Ihre Email und ich hoffe, daß Sie nichts dagegen haben, wenn ich Sie hier in meinem Blog veröffentliche, denn „Mosaik"-Fan bin nicht nur ich, sondern zum Glück gibt es noch immer eine große Anhängerschar. Es stimmt was sie sagen, auch ich erinnere mich, daß in diesen Jahren mal ein FDJnik in unsere Klasse kam, bewaffnet mit einem Plattenspieler wo er ein paar westliche Schlager vorspielte, die bei uns Ekel vor westlichem Schund hervorrufen sollten, was bei uns Schülern nur das Gegenteil zeitigte. Zum Glück waren in meiner Klasse nur wenige Rote und nicht wenige meiner Klassenkameraden hörten westliche Sender mit westlicher Musik viel lieber als den damaligen DDR-Dreck, sehr zum Mißfallen einiger Lehrer, siehe meinen Beitrag über so einen ollen SED-Sozialfaschisten: http://barrynoa.blogspot.de/2009/08/von-einem-brutalen-sportlehrer-und.html.

Was übel war, daß „Micky Maus“, "Fix und Foxi“, „Felix“ damals streng verboten waren. Ganz besonders war den SED-Spießbürgern „Tarzan“ ein Dorn im Auge. Ein Mitschüler, der mal ein „Tarzan"-Heft mit in die Schule gebracht hatte, der wurde regelrecht fertig gemacht in der Klasse mit Eintrag, Einbestellung der Eltern und so weiter und das Heft landete nicht etwa im Schredder, sondern bei der Polizei (!). Ich hatte da mehr Glück, konnte meine geliebten „Micky-Maus"- Hefte, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2008/03/altes-beste-freunde-von-bn-comics.html, behalten, nahm sie aber nie in die Schule und erzählte auch roten Lehrern und roten Schülern nichts davon. Dieses ganze spießbürgerliche System damals erinnerte mächtig an die Kulturpolitik der Nazis, deren kleinbürgerliche Denkweise und auch die Uniformierung der Hitlerjugend wurde ja fast eins zu eins von den SED-Sozialfaschisten übernommen, siehe Pionierbluse mit Emblem und Tuch, inklusive Fahnenappelle und dergleichen Mummenschanz.
 
Ganz schlimm wurde es mit dem Aufkommen der Beatmusik. Schüler die ein wenig längere Haare sich wachsen ließen, wurden vom rotlackierten Lehrerpack zu Staatsfeinden erklärt und es kam vor, daß sie allein wegen ihrer langen Haare nicht zur erweiterten Oberschule zugelassen wurden, was nach sich zog, daß sie nicht studieren konnten. Einmal eckte ich mit einer Nietenhose aus dem Westen an, die mir meine Oma geschickt hatte. Da muß ich wohl so 12 Jahre alt gewesen sein. Auf den hinteren Taschen war ein Aufnäher drauf. Ich glaube „Texas Cowboy“ oder so ähnlich. Da wurde ich einen Tag der Schule verwiesen, meine Eltern wurde aufgefordert diesen Aufnäher abzutrennen. Dieses pseudorote Gesindel konnte man nur hassen, nicht umsonst verehrte ich damals Barry Goldwater, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten von 1964 der USA, der durch seine freiheitlichen Reden bekannt wurde und vom Osten gehaßt wurde, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2008/11/namen-sind-nicht-immer-schall-und-rauch.html und http://barrynoa.blogspot.de/2012/11/barry-noa-for-barry-goldwater.html. Trotzdem gab es ein paar wenige Typen unter meinen Mitschülern, die trotz der erlittenen Unfreiheitlichkeit, sich als Zeitsoldat für die NVA meldeten oder gar schon in jungen Jahren später in die SED eintraten. Nur selten waren es überzeugte Rote, desto mehr Typen machten dies der persönlichen Vorteile willen um in der DDR besser Karriere machen zu können. Von derartigen Typen hielt ich mich fern, nicht ein einziger Freund und Bekannter von mir war in der SED oder hatte sich als Zeitsoldat bei der NVA verdingt. Solche Leute waren mir einfach zuwider. Geschätzt habe ich allerdings Bekannte, die, wie ich, Radio Tirana hörten, wo wirklich sozialistisches Gedankengut verbreitet wurde und nicht das kleinbürgerliche der SED-Sozialfaschisten.
 
Weshalb das „Mosaik“ so beliebt war, das resultierte auch daraus, daß es im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen der damaligen DDR in fremden Zeiten, in fremden Ländern spielte und zum Glück die damalige Gegenwart ausgespart wurde, ansonsten hätte man den „sozialistischen“ Einheitsbrei auch im „Mosaik" ertragen müssen, was viele Leser abgelehnt hätten. Was das bedeutet hätte, dies konnte man an der widerlichen Kinderzeitung für Hardcore-Pioniere „Trommel“ sehen, mit der fast alle meine Mitschüler nichts im Sinn hatten. Trotz Werbung las die bei uns keiner. Zum Glück gab es wenigstens das „Mosaik“.

Herzlichst

Ihr

Bernd Nowack


PS: Für Sie, werte Frau Bringezu, und natürlich auch für alle anderen Leser, einer meiner Anarcho-Cartoons, die vor über 10 Jahren mal auf den Markt kamen, siehe Abbildung oben!

Hier noch ein Link zu meinen alten Comics und den damaligen Zeitumständen:



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