Donnerstag, 17. Januar 2013

Armer Beamter bittet um milde Gabe



Diese Story muß ich hier mal mitteilen, zeigt sie doch symptomatisches des Denkens und Handelns gewisser Schichten des Volkes auf. 

Ein Bekannter von mir, ein westdeutscher Rechtsanwalt, rief mich vorige Woche an. Er hat seinerseits einen Bekannten, der nun durch ihn öfter mal in meinen Blog schaut und da hatte dieser mitbekommen, daß ich dem Dessauer Antikhandel Neumann beratend zur Seite stehe. Nun fragte er nach einem bei Neumann angebotenen Album, welches dort für 25,- Euro zu haben war. Die Frage war, ob denn Neumann auch dieses Album versenden würde. Dies bejahte ich. Mein Bekannter, der Rechtsanwalt, sagte mir noch, daß der Kaufinteressent, dieses Album gern von Neumann hätte, da es in anderen Antiquariaten teurer wäre (meistens 40 - 45 Euro) und er sich dieses Schnäppchen nicht gern entgehen lassen möchte. 

Nun, soweit so gut! Neumann telefonierte und emailte mit diesem Herrn, denn der wollte wissen ob das Album auch in bestem Zustand wäre und dergleichen mehr. Neumann schickte ihm dann eine Email mit den Versandkosten. Diese rundete er um 60 Cent nach oben auf, also DHL plus Karton plus 60 Cent (es fallen ja schließlich auch zusätzliche Kosten an, wie Arbeit mit dem Verpacken, Fahrtkosten beim Hinbringen zur Post und dergleichen mehr). So ein geringer Aufpreis wurde bisher noch nie moniert, auch nicht von arbeitslosen oder finanziell schlecht gestellten Kunden. 

Diesmal feilschte aber der Kunde, ihm waren die 60 Cent zu viel und er schrieb, daß er das Album nur nehmen würde, wenn nur der reine Versandkostenpreis aufgeschlagen würde, also 60 Cent weniger. Hm, war Neumann da an einen ganz armen Schlucker geraten, der um jeden Cent feilschen muß? 

Wie ich nun durch meinen Bekannten, den Rechtsanwalt wußte, handelte es sich bei dem Kunden allerdings um einen höheren Beamten in einem Bundesministerium und was derartige Beamte verdienen, dies ist bekanntermaßen jenseits von gut und böse, sondern einfach nur sehr, sehr viel. Au Backe, und so einer feilscht hier um 60 Cent? Neumann lehnte ab! Nachlaß um 60 Cent für einen höheren Beamten, sozusagen ein „Sozialtarif“? Auf gar keinen Fall! 

Die Reaktion dieses sich sonst so vornehm gebenden Herrn war entlarvend, er würde verzichten und auf keinen Fall jemals etwas bei Neumann wieder kaufen wollen. Die absolute Entgleisung war eine Allerwertesten-Bezeichnung an Neumann in seiner Email. Hätte ich diese Email nicht persönlich gesehen und man hätte mir das nur erzählt, hätte ich es nicht geglaubt. 

Ich diskutierte per Telefon diese Story mit einigen Bekannten und die wunderten sich, daß ich mich gewundert hatte, denn es sei doch bekannt, daß je reicher jemand sei, desto geiziger er meistens sei, und daß es auch eine Rolle gespielt hätte, daß ein Wessi denkt, daß er im Osten billig Schnäppchen machen könne. Von einem westdeutschen arrivierten Händler hätte besagter Herr garantiert nicht diesen Nachlaß gefordert, aber als Wessi herrscht immer noch das Denken vor, daß man es mit Ossis ja machen könne. 

Die Schnäppchenjagd der reichen Wessis nach der Wende, als sie hier Fabriken und Immobilien für einen Appel und ein Ei sich ergaunern konnten, die setzt sich im Kleinen fort. Anstatt sich zu freuen dieses Album für rund 15,- Euro billiger zu bekommen als sonst üblich, da wird versucht noch weiter den Preis zu drücken, dies obwohl man nicht weiß wohin mit dem vielen Geld was man monatlich als höherer Beamter verdient. 

Wie es der Zufall so will, ein paar Tage später sehe ich im Fernsehen einen Bericht über eine Reisegruppe die Abenteuer-Fernreisen unternimmt, darunter Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst, sehr viele Lehrer. Die besuchten ein entlegenes Dorf in einem der ärmsten Länder der Welt. Einheimische Frauen standen dort am Wegesrand und verkauften in mühevoller Handarbeit hergestellte Perlstickarbeiten. Der Reporter sagte dazu, daß sie an so einem Stück mehr als hundert Stunden sitzen müssen und daß die Bevölkerung sehr arm dort sei und sie nur mal etwas Bargeld durch den Verkauf solcher Arbeiten an Touristen in die Hand bekäme. 

Ja, und dann kommt es! Dieses reiche deutsche Gesindel, was zuhause in einem Nobelrestaurant mal schnell 100,- Euro für ein Mittagessen ausgibt, welches teuerste Kreuzfahrten bucht, welches exklusive Fernreisen unternimmt, das feilschte mit den dortigen armen Frauen um den Preis der Handarbeiten. Man sah und hörte in dem Film, daß dort der eh schon lächerlich niedrige Preis so einer Arbeit von 12,- Dollar von den deutschen Touristen auf um die 8,- Dollar runter gehandelt wurde. Stolz berichtete eine solche miese Deutsche, daß sie sehr gut im Feilschen gewesen wäre und strahlte dabei über das ganze Gesicht. 

Es ist einfach nur widerlich, dieses deutsche bürgerliche Gesindel!    

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