Donnerstag, 3. Februar 2011

Gedanken zum Anhaltischen Lesebuch


Natürlich habe ich Mutters Lesebücher aus ihrer Schulzeit aufgehoben und lese tatsächlich noch darin, denn sogar im Band für das 3. und 4. Schuljahr sind sehr anspruchsvolle, tiefsinnige Texte drin. Dies muß die Nachgeborenen erstaunen, denn die Texte späterer Lesebücher, z.B. die der DDR-Zeit, und erst recht die der heutigen, sind da viel schlichter und mehr Kindergartenniveau. Die Volksschule der Weimarer Zeit war also keineswegs niveaulos, was man jetzt so annimmt, sondern das Gegenteil war der Fall, wenn man mal von der Prügelerlaubnis der Lehrer absieht, die der Weimarer Republik zur Schande gereichte.

Wenn man in den anhaltischen Lesebüchern blättert (jedes Land gab eigene Lesebücher heraus), dann muß man feststellen, daß kaum Texte drin stehen die einen anhaltischen Bezug haben, der anhaltische Bär auf der Mauer führt da heutige Leser ein wenig in die Irre. Die Auswahl der Texte war meines Erachtens eine, die melancholische und ernste Gedichte und Geschichten bevorzugte, nur selten ist mal etwas lustiges zu finden, rein kindliches schon fast gar nicht. Kindheit in der Weimarer Zeit war halt keine behütete Kinderzeit, sondern hart und ernst, siehe auch meine Beiträge zur Kindheit meiner Mutter:

http://barrynoa.blogspot.com/2008/07/die-trostlose-kindheit-meiner-mutter.html ,

http://barrynoa.blogspot.com/2008/07/die-trostlose-kindheit-meiner-mutter_23.html .

Ich habe mal ein paar Seiten des Lesebuches für das 3. und 4. Schuljahr eingescannt, so Wilhelm Raabes „Die Mutter bekommt kein Geld“. Der Text zeigt, daß Kinderarbeit für die Masse der Kinder selbstverständlich war, bei den Hungerlöhnen damals. Dieses Unsoziale in der Weimarer Republik brachte sie auch zu Fall, denn nur wegen der sozialen Ungerechtigkeit konnten die Extreme in der Politik Zuspruch bekommen. Wenn man das damalige Elend der Massen mit dem extremen Luxus der damaligen Oberschicht, den Kriegsgewinnlern, den Reichen, sieht, dann sind die Parallelen zu heute unübersehbar. Man schätzt, daß in der Bundesrepublik Deutschland rund 400.000 junge Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Da sind nicht etwa Hartz-IV-Empfänger gemeint, die gemeinhin vom deutschen Spießbürger und vom bürgerlichen Ausbeutergesindel als Schmarotzer und als Asoziale angesehen werden, sondern Menschen die von ihrem (?) Vermögen leben können und dies nicht mal schlecht, sondern mit Partys auf Sylt und Apres Ski in Sankt Moritz. Ja und die Vermögen stammen dann meistens von den Eltern, angeblich ehrlich erworben als Unternehmer oder höherer Beamter. Ehrlich, wenn ein Unternehmer aus der Arbeit seiner Arbeiter und Angestellten derartige Gewinne ziehen kann, oder ein Beamter Gehälter vom Staat bekommt (also von uns, den Steuerzahlern) die der Normalbürger nicht im gesamten Jahr bezieht? Wer nun die wirklichen Schmarotzer und Asozialen sind, diese Typen oder z.B. diejenigen die gezwungen sind Hartz-IV zu beziehen, weil es nicht genügend Arbeit gibt die der Arbeitsleistung entsprechend bezahlt wird, dies müßte eigentlich klar sein.

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