Samstag, 25. Dezember 2010

Von Knurks dem Nußknacker der doch ein Herz hatte und Fräulein Köhlers Räuchermännchen


Märchen mochte ich als Kind nicht sonderlich, aber es gab ein paar Ausnahmen, so Hans Christian Andersens ergreifende Geschichte vom "Mädchen mit den Schwefelhölzchen", eigentlich kein Märchen, sondern sozialkritische Anklage gegen die heuchlerisch christlich unmenschliche Gesellschaftsordnung im Europa des 19. Jahrhunderts, Grimms Märchen von den  "7 Raben" und einige Märchen aus der Feder von Wilhelm Hauff, so „Die Geschichte vom Kalif Storch“, Die Geschichte von dem Gespensterschiff“ und „Das Märchen vom falschen Prinzen“. Ja und dann kam ein Märchen noch dazu: Ich bekam als Kind das Buch „Knurks hat doch ein Herz“, Autor Hans-Joachim Malberg, geschenkt, erschienen 1958 im Gebrüder Knabe Verlag, Weimar, und schloß es in mein Herz. Dieser Nußknacker „Knurks“ gefiel mir, wie mir sowieso Nußknacker gefallen, obgleich wir in unserer Familie nur einen einzigen dieser Gesellen und den aber seit langem besitzen. Diesen original erzgebirgischen Nußknacker stelle ich zum Jahresende, so bis zum Dreikönigstag, ins Fenster. So ein Nußknacker hat was, was mit der scheinheiligen deutschen Weihnachtsheimeligkeit kontrastiert – finde ich jedenfalls! Ist es nicht lustig, wie er im Fenster stehend seiner Umwelt die Zähne zeigt, all den deutschen Sauerkrauts?

Neben ihm ein schon arg ramponierter kleiner Schornsteinfeger, ein Räuchermännchen, dem allerdings im Laufe der Zeit sein Schornstein abhanden gekommen ist, mal zerknabbert von unserem Dackel als sehr junger Hund. An diesem Räuchermännchen hänge ich, bekam ich ihn doch mal als kleiner Junge von einer sehr lieben Nachbarin geschenkt, dies zu einer Zeit als solche Dinge nur sehr schwer zu bekommen waren. Die Dame war ein älteres Fräulein Köhler, eine sehr gebildete Frau, aber in ärmlichen Verhältnissen. Trotzdem hatte sie sich ihren Stolz bewahrt und wenn sie mit ihrem uralten Fahrrad aus den 20er Jahren den Knarrberg entlang fuhr, dann grüßte sie immer sehr freundlich zurück, wenn man sie ebenfalls freundlich grüßte. Kam man an ihrem Haus vorbei, dann hörte man sie oft auf ihrem Klavier klassische Musik spielen. Fräulein Köhler gefiel es wenn Kinder ihr mit gutem Benehmen entgegen kamen, schimpfte allerdings wenn rüpelhafte Kinder sie ärgerten und etliche Kinder taten dies, gerade weil sie dann immer schimpfte. Bei mir gefielen ihr meine kleine Unterhaltungen mit ihr und da ich ein Bücherwurm schon in jüngsten Jahren war, da war sie immer voll des Entzückens, wenn ich ihr erzählte was ich denn wieder neues gelesen hatte, besonders wenn es sich um schöngeistige Literatur handelte. Ich kann mich noch gut daran erinnern als ich ihr Goethes Gedicht „Gefunden“ als 8jähriger vortrug, daß sie da den nächsten Tag ein Päckchen West-Kakao für mich als "Belohnung" bei meiner Mutter vorbei brachte, so hatte es ihr gefallen, daß ich da ein Gedicht konnte, was in der Schule noch lange nicht dran war. Es ist bezeichnend, von den Gedichten, die ich privat als Kind gelesen habe, da kann ich noch etliche auswendig, wie auch das Gedicht „Gefunden“, bei denjenigen Gedichten die wir für die Schule auswendig lernen mußten, da kann ich kein einziges mehr.

Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt' es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Ich grub' s mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich's
Am hübschen Haus.

Und pflanzt' es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.

Johann Wolfgang von Goethe

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