Dienstag, 2. Februar 2010

Meine Mutter und die Dessauer Junkers-Flugzeugwerke


Nach trostloser Kindheit (siehe dazu auch die Blogbeiträge:
http://barrynoa.blogspot.com/2008/07/die-trostlose-kindheit-meiner-mutter.html
http://barrynoa.blogspot.com/2008/07/die-trostlose-kindheit-meiner-mutter_23.html  ) begann für meine Mutter erst als Angestellte in den Dessauer Junkers Flugzeugwerken eine bessere Zeit. Noch in hohem Alter schwärmte sie von der Arbeit bei Junkers. Besonders das Moderne dieses Betriebes gefiel meiner Mutter sehr. Überall waren die Arbeitsräume hell und freundlich und im Winter warm – keine Selbstverständlichkeit in der Kriegszeit! Außerdem wurde sehr viel für die Belegschaft getan, wie bestes Kantinenessen, Betriebssportgruppen (u.a. Segelfliegerei) und Erholungsurlaube. So hatte Junkers z.B. in Grömitz an der Ostsee ein Urlauberheim wo auch meine Mutter einmal einen tollen Urlaub verbringen durfte. In der warmen Jahreszeit konnten die Werktätigen die eine Stunde Mittagspause in den Parkanlagen des Betriebes verbringen und des öfteren spielten dort draußen Blasorchester für die Arbeiter und Angestellten. Ganz besonders gefiel es meiner Mutter im Entwurfsbüro wo sie bis 1945 die Sekretärin des Entwurfschefs Gropler war. In diesem Entwurfsbüro tüftelte man an den modernsten Flugzeugen, die zwar nicht mehr in Deutschland gebaut wurden, aber die wegweisend für die Flugzeugbranche waren. So war z.B. das Ende der 60er Jahre in Frankreich gebaute Überschallflugzeug Concorde 1944 auf den Reißbrettern des Entwurfsbüros in Dessau so gut wie fertig konstruiert. Etliche Ingenieure und Flugzeugkonstrukteure wurden ja nach Kriegsende zwangsweise nach Frankreich gebracht und sie bauten dort die französische Flugzeugindustrie mit dem Know-how von Junkers auf.


Als Sekretärin des Chefs des Entwurfsbüros genoß meine Mutter ein paar Privilegien. Sie mußte z.B. nicht unbedingt um 7.30 Uhr mit der Arbeit anfangen, sondern durfte auch später kommen. Wenn sie dann oft erst 10.00 Uhr durch das Werkstor ging dann kam zur gleichen Zeit auch der bekannte Flugzeugkonstrukteur Prof. Baade mit ihr zur Arbeit. Baade war sehr weltmännisch und nahm sich eine freie Arbeitszeiteinteilung heraus. Baade paßte so gar nicht in das herrschende Bild eines deutschen Flugzeugkonstrukteurs. Da er immer nach der modernsten amerikanischen Mode gekleidet war und auch in seinem ganzen Auftreten eher einem amerikanischen Filmschauspieler ähnelte hob er sich von der Mehrheit ab. Nun war es aber nicht so, daß im Entwurfsbüro gefaulenzt wurde, ganz im Gegenteil! Meine Mutter arbeitete oft die Nacht durch und ging dann nicht etwa nach Hause, sondern arbeitete den nachfolgenden Tag dann ebenso durch. Dies war besonders dann der Fall wenn Prof. Baade nach Berlin ins Luftfahrtministerium fahren mußte um dort die neuesten Erfindungen vorzustellen. Das ganze Entwurfsbüro arbeitete dann auf Hochtouren.


Der Name Junkers hat auch heute noch einen guten Klang. Für die vielen Junkers-Fans deshalb ein paar Scans aus dem Nachlaß meiner Mutter! Auf dem ersten Bild sehen Sie die Glückwunschkarte zu Mutters 21. Geburtstag. Diese Karte hatte eine Cartoonistin namens Räßler gemalt, diese kam aus Bayern und war nach Dessau als Zeichnerin zwangsverpflichtet worden. Die Karte zeigt meine Mutter und ihren Chef Gropler, der schon in jungen Jahren eine Glatze hatte. Auf diese Karte habe ich ein Foto meiner Mutter gelegt, der aus dem Ausweis der Betriebssportgemeinschaft der Junkers Flugzeugwerke stammt (siehe Stempel). Der zweite Scan zeigt die Rückseite dieser Geburtstagskarte und ein Messer aus der Kantine der Junkerswerke mit dem bekannten stilisierten Ikaruszeichen. Das dritte Bild zeigt Scans eines Buches mit Stempeln der Junkers-Bibliothek und des Junkers-Entwurfsbüros, sowie Mutters Krankenkassenkarte mit den Stempeln der Junkerswerke und Reste von zwei Beitragsmarken der Betriebssportgemeinschaft. Zum Schluß noch Mutters Zeugnis welches 1948 ausgestellt wurde. Da der Betrieb mittlerweile aufgelöst war stellte der Dessauer Bürgermeister diese Zeugnisse aus, eine Kuriosität die den Kriegs-und Nachkriegswirren geschuldet war.

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